Appell an alle Berliner Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen Neu anfangen – und zwar gemeinsam

Die Berlin-Wahl 2011 stellt für uns Bündnisgrüne eine Zäsur dar. Ein historisches Wahlergebnis wird von der Enttäuschung darüber begleitet, dass deutlich mehr möglich gewesen wäre. Der Unmut in vielen Teilen der Partei und unserer Wählerschaft ist deutlich spürbar. Eine gründliche Auswertung des grünen Wahlkampfs und die (selbst-) kritische Analyse eigener Versäumnisse ist deshalb nicht nur ein Akt der politischen Aufrichtigkeit, sondern zugleich die Voraussetzung dafür, dass Bündnis 90/Die Grünen Berlin ihre neue Rolle als stärkste Oppositionspartei finden und so gut ausfüllen, wie es unsere Wählerinnen und Wähler und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zurecht von uns erwarten.

Im Zuge dieser Auswertung wird über vieles zu sprechen sein, unter anderem über den Umgang innerhalb unserer eigenen Partei. Hätte ein Mehr an innerparteilicher Demokratie und Beteiligung, eine stärkere Einbeziehung von Erfahrungen und Kompetenzen und eine Kultur der Anerkennung, des Respekts, des Zuhörens und des Hörbarmachens die gröbsten Fehler verhindert? Hätte uns ein konstruktiveres Verhältnis der Parteiströmungen – wie es andere grüne Landesverbände vorleben – gegenseitige Blockaden erspart, unser Profil als Themen- und Programmpartei geschärft und eine differenziertere Ansprache unterschiedlicher Wählergruppen ermöglicht?

Wir beantworten diese Fragen mit einem klaren Ja. Klar ist auch: Wer von der SPD „Augenhöhe“ einfordert, muss sie zunächst selbst und innerhalb seiner eigenen Reihen praktizieren. Es war eine Hypothek für diesen Wahlkampf und die politische Durchschlagskraft der Berliner Bündnisgrünen in den letzten Jahren insgesamt, dass es uns an echter Geschlossenheit mangelt. Geschlossenheit, das kann und darf bei Bündnis 90/Die Grünen nicht heißen, dass immer alle einer Meinung sind. Es geht um Diskursfähigkeit und die lebendige Debatte über Inhalte, um die Erkenntnis, dass eine Konkurrenz von Idee auch das politische Geschäft belebt und um das Bewusstsein, mit einem gemeinsamen Ziel den Wettstreit über den besseren Weg dahin demokratisch zu gestalten.

Eine neue Legislatur ist immer auch die Chance für einen Neuanfang, bei dem wir Berliner Bündnisgrüne nicht die Fehler des letzten Wahlkampfs und der vergangenen Jahre wiederholen dürfen. Ein Neuanfang geht nur mit wechselseitiger Achtung und Wertschätzung und mit der Einbindung aller, die mit grüner Politik in Berlin identifiziert werden. Er geht nicht mit Ausgrenzung, Marginalisierung und faktischer Spaltung. Das gilt für die Partei, innerhalb und zwischen den Kreisverbänden und Landesarbeitsgemeinschaften, aber auch und vor allem für die Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die tatsächliche Vielfalt von Meinungen innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin muss sich in allen Fraktionsgremien, insbesondere auch im Fraktionsvorstand, adäquat widerspiegeln. Sonst droht eine Ausgrenzung und „Stilllegung“ von Potenzialen, die die Bündnisgrüne Politik in Berlin gerade nach der Abgeordnetenhauswahl dringend braucht. Die Fehler des Wahlkampfs und der Zeit davor dürfen bei der Konstituierung der Fraktion und ihres Vorstands nicht einfach wiederholt werden. Deshalb rufen wir alle Abgeordneten dazu auf, sich bei den anstehenden Gremienwahlen dieser Verantwortung anzunehmen. Die Ausschaltung und Ausgrenzung eines gewichtigen Teils der Fraktion aus den wichtigen Fraktionsgremien wäre nicht der Ausdruck einer neuen Ära, sondern der fatale Durchmarsch eines autoritären Politikverständnisses, das nicht Bündnisgrüner Tradition und unserem Politikstil entspricht und dem auch unsere Wählerinnen und Wähler skeptisch gegenüber stehen. Transparenz und solidarische Einbeziehung sind die Gebote der Stunde. Sie müssen für uns Grüne auch die ersten Lehren nach dieser Wahl sein.

UnterzeichnerInnen:

Ario Ebrahimpour Mirzaie, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin, Sprecher der BAG Migrations- und Flüchtlingspolitik von Bündnis 90/Die Grünen
Hans-Christian Ströbele, MdB
Ali Mahdjoubi, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Alexander Klose, Sprecher der LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Melanie Müller, Sprecherin der BAG Nord-Süd von Bündnis 90/Die Grünen, LAG
Frieden und Internationales LV Berlin
Axel Bussmer, Sprecher der LAG Demokratische Rechte LV Berlin
David Kipp, Sprecher der LAG Frieden und Internationales LV Berlin
Vito Dabisch, Sprecher GRÜNE JUGEND Berlin
Wolfgang Wieland, MdB
Lisa Paus, MdB
Franz Schulz, Bezirksbürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg
Bernd Szczepanski, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Neukölln
Fatma Celik, Geschäftsführender Ausschuss KV Friedrichshain-Kreuzberg
Andreas Weeger, Geschäftsführender Ausschuss KV Friedrichshain-Kreuzberg
Karl-Heinz Bergt, Geschäftsführender Ausschuss KV Friedrichshain-Kreuzberg
Valentin Münscher, Geschäftsführender Ausschuss KV Friedrichshain-Kreuzberg
Bertil Wewer, Mitglied im Vorstand KV Neukölln
Kalle Erlacher, Mitglied im Vorstand KV Neukölln
Felix Banaszak, GRÜNE JUGEND Berlin
Ritva Harju, MdBVV Spandau
Ersoy Sengül, MdBVV Friedrichshain-Kreuzberg
Wolfgang Lenk, MdBVV Friedrichshain-Kreuzberg
Fatos Topac, MdBVV Friedrichshain-Kreuzberg
Berna Gezik, MdBVV Friedrichshain-Kreuzberg
Bodo Byszio, Sprecher der AG Grüne Perspektive Spandau LV Berlin
Robert Hufnagel, KV Treptow-Köpenick
Marc Barabasch, KV Spandau, GRÜNE JUGEND Berlin
Britta Byszio, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Carola Scheibe-Köster, KV Neukölln
Klemens Griesehop, KV Pankow
Werner Graf, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Gesine Agena, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Klaus Farin, KV Neukölln
Sebastian Brux, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Ben Serdar Bulat, KV Charlottenburg-Wilmersdorf
Kristine Jaath, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Marion Hasper, KV Tempelhof-Schöneberg
Katayun Piradawari, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Dr. Christian Hoffmann, KV Neukölln
Kambiz Behbahani, KV Mitte
Paula Riester, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Volkmar Nickol, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Ronny Wenke, KV Steglitz-Zehlendorf
Nico Heise, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Feras Al-Hasaki, KV Neukölln
Angelika Höhne, KV Spandau
Christiane Howe, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Goumagias Dimitrios, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Jochen Biedermann, KV Neukölln
Felix Pahl, LAG Frieden und Internationales LV Berlin
Hanna Schumacher, KV Neukölln
Philipp Koch, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Frank Koslowski, KV Spandau
Annette Heppel, LAG Migrations- und Flüchtlingspolitik LV Berlin, LAG Frieden und Internationales LV Berlin, KV Neukölln
André Schulze, KV Neukölln
Ursula Künning, KV Neukölln
Johann Müller-Gazurek, KV Steglitz-Zehlendorf
Alexander Gürtler, KV Tempelhof-Schöneberg
Pascal Striebel, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Kai Koddenbrock, KV Neukölln
Tobias Wolf, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Felix Fischer, KV Neukölln
Mathias Reich, KV Charlottenburg-Wilmersdorf
Marco Sposato, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Hartwig Berger, KV Charlottenburg-Wilmersdorf
Martin Wilk, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Oliver Münchhoff, LAG Wirtschaft LV Berlin
Ersin Cagin, LAG Migration- und Flüchtlingspolitik LV Berlin
Wolfgang Ewert, KV Neukölln
Melanie Zagrean, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Gabriele Wendland, KV Pankow
Sinan Oliver Ekmekci, KV Neukölln
Ursula Hertel-Lenz, KV Steglitz-Zehlendorf
Adrian de Souza Martins, KV Steglitz-Zehlendorf
Charlotte Lorentz, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Thomas Hampel, LAG Wirtschaft LV Berlin
Mahi Christians-Roshanai, KV Neukölln
Christian Ruiz, KV Mitte
Phil Hill, KV Pankow
Georg Kössler, KV Neukölln
Christian Beck, KV Mitte
Patrick Luzina, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Catherine Michel, KV Neukölln

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